Awareness

Der englische Begriff ‚Awareness‘ kann mit Bewusstsein übersetzt werden. Im deutschsprachigen Raum steht der Begriff für eine Haltung und Praxis, die darauf abzielt, ein Bewusstsein für die Grenzen anderer zu schaffen und damit Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt entgegenzuwirken und einvernehmliches Handeln zu fördern. Awareness beschreibt zum einen Strukturen vor Ort, durch die Betroffene von Diskriminierung und Gewalt parteiliche Unterstützung erfahren. Gegebenenfalls können auch Sensibilisierungsgespräche mit diskriminierenden oder Gewalt ausübenden Personen geführt werden.  Zum anderen ist Prävention und Aufklärung die Grundlage der Arbeit: Veranstalter, Gäste, Personal und Künstler informieren sich und tragen aktiv zum Abbau von Gewalt und gesellschaftlichen Strukturen der Ungleichheit bei. Das bedeutet, dass alle an einer Veranstaltung Beteiligten Verantwortung für sich und den gemeinsam genutzten Raum übernehmen. Awareness hilft dabei, einen bewussten Umgang mit den eigenen Grenzen und Bedürfnissen zu finden und diese auch bei anderen wahrzunehmen und zu respektieren.
Entstehung
Awareness hat seinen Ursprung im Wissen 
und politischen Engagement verschiedener Communities und deren emanzipatorischen Ansätzen. Der Begriff Awareness wird seit den 1980er Jahren in den USA in der pädagogischen Literatur verwendet, die sich mit Bildungsarbeit und Diskriminierung beschäftigt.

Die Debatten und Praktiken der zweiten Frauenbewegung in den 1970er Jahren sind ein wichtiger Ausgangspunkt für die Sensibilisierung. Männliche Gewalt gegen Frauen und LGBTIQ* wurde in einen strukturellen, gesellschaftlichen und patriarchalen Kontext gestellt. Beratungsangebote, Zufluchtsorte, autonome Frauenhäuser und Unterstützungsstrukturen für Betrof-
fene wurden geschaffen. Insbesondere die aus den USA stammenden Ansätze und Praktiken der Transformative Justice und Community Accountability haben die Aufklärungsarbeit in Deutschland beeinflusst. Frauen und LGBTIQ* of Color haben eigene gemeinschaftsbasierte Ansätze gegen Diskriminierung und Gewalt entwickelt. Aufgrund rassistischer Strukturen in Polizei und Staatsgewalt konnte sich BIPoC nicht auf diese Institutionen verlassen. Eine Auseinandersetzung mit Gewalt und Sicherheit für gesellschaftlich marginalisierte Communities fernab von staatlichen Institutionen sollte etabliert werden.
Awareness wurde und wird in Deutschland häu-
fig als antisexistische Praxis verstanden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass verschiedene Diskriminierungsformen und ihre Überschneidungen berücksichtigt werden müssen.

Warum es Awareness braucht

m Rahmen von Veranstaltungen entstehen Räume der Identitätsfindung, der Begegnung und des Wissensaustausches, die ein Gemeinschaftsgefühl fördern können. Die Erwartungen und Erfahrungen mit Veranstaltungen können jedoch sehr unterschiedlich sein. Während die einen ein ausgelassenes Fest oder eine produktive Konferenz erleben, erfahren andere Ausgrenzung, verbale, strukturelle oder körperliche Gewalt.Diskriminierung zeigt sich im direkten zwischenmenschlichen Verhalten und in strukturell verankerter Ungleichbehandlung. 
Sie geschieht nicht immer bewusst oder absichtlich, und kein Raum ist per se frei von Diskriminierung und Gewalt. So kann z.B. der Gang zur Toilette zum Problem werden, wenn es nur die Trennung zwischen „Männern“ und „Frauen“ gibt, was für trans* und intergeschlechtliche Menschen schwierig ist. Rassistische Hausordnungen und Stereotypisierungen führen dazu, dass BIPoC der Zugang zu Clubs verwehrt wird. Auch sexistische und homo
phobe Strukturen hindern viele daran, an Veranstaltungen 
 teilzunehmen.Viele Menschen meiden bestimmte Veranstaltungen, um Diskriminierung zu vermeiden. Zum Beispiel bleiben lesbische Paare lieber zu Hause, um abfällige Bemerkungen zu vermeiden, und Alleinerziehende verzichten auf Vorträge, weil es keine Kinderbetreuung gibt.

Sensibilisierung ist in öffentlichen und privaten Räumen notwendig, in denen Menschen zusammentreffen und die Grenzen anderer nicht wahrgenommen werden oder diskriminierende Verhältnisse aufgrund gesellschaftlicher Machtdynamiken bestehen. Dies betrifft Veranstaltungen wie Messen, Konferenzen, Konzerte, Clubveranstaltungen und RAVES. Sensibilisierungsstrukturen helfen, positive Erfahrungen für alle Beteiligten zu gewährleisten und bieten Schutzräume für betroffene Gruppen.
Unsere Gesellschaft ist stark von Machtdynamiken geprägt, so dass Abwertungen aufgrund zugeschriebener Merkmale häufig sind. Diskriminierung kann offensichtlich oder unbewusst sein und sich in verbaler, körperlicher, sexualisierter und psychischer Gewalt äußern. Diese Übergriffe können kaum wahrnehmbar sein, wie irritierende Blicke oder das Gefühl, ausgegrenzt 
 zu werden. Diskriminierung findet auf mehreren Ebenen statt: 
 individuell (zwischen Gast und Barkeeper, Künstler und Veranstalter), gesellschaftlich/kulturell (Diversität bei Rednern oder Line-Ups) und strukturell/institutionell (diskriminierende Regeln oder Gesetze). Die Folgen von Diskriminierung sind 
 unmittelbar spürbar und können Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit, Wut, Aggression, Trauer oder Zynismus auslösen. Bereits bestehende Traumata können ausgelöst werden und neue Traumata können entstehen. Awarenessarbeit schafft Bewusstsein und Verständnis für unterschiedliche Lebensrealitäten, gleicht Machtungleichheiten aus und unterstützt Betroffene, um ein sicheres und integratives Umfeld zu fördern.Leonie Haiduck/Miriam Hecht/ Alexandra Vogel: awareness - Umgang mit Diskriminierung & (sexualisierter) Gewalt bei Veranstaltungen, Rev. ed., Leipzig: Initiative Awareness e.V., 2021, S.11-12,14.

Awareness auf RAVES

RAVES werden oft als sicherer als Clubs empfunden, da sie in der Regel in geschlossenen Räumen mit begrenzter Reichweite und in kleineren, vertrauteren Kreisen stattfinden. Unsere Umfrage bestätigt dies: Während nur 30% der Befragten in RAVES negative Erfahrungen gemacht haben, sind es in Clubs über 70%.

Trotz dieser Tendenz zu mehr Sicherheit auf RAVES gibt es auch dort Fälle von Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Übergriffe auch bei kleineren Veranstaltungen und in vermeintlich
sicheren Räumen wie Uni-Veranstaltungen oder privaten Partys vorkommen.
Auch bei den Veranstaltern von RAVES gibt es oft die Meinung: „Bei uns gibt es keine Vo-
fälle“. Solche Aussagen beruhen meist darauf, dass die Betroffenen ihrer Veranstaltungen bisher keine Vorfälle gemeldet haben. Denn es ist offensichtlich, dass es bei RAVES Vorfälle gibt. Immerhin gaben auch in unserer Umfrage 30% der Befragten an, negative Erfahrungen auf RAVES gemacht zu haben. Dies zeigt leider, dass es keine Orte gibt, die völlig frei von Diskriminierung und Grenzverletzungen sind.
Natürlich stellt sich die Frage, warum Übergriffe nicht gemeldet werden. Die Gründe dafür sind vielfältig:• Angst, die Situation missverstanden zu haben
• Schuldgefühle oder die Annahme, selbst 
schuld zu sein
• Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden
• Sorge, noch mehr angegriffen zu werden
• Angst, es könnte wie Rache aussehen
• Furcht vor Vorwürfen, zu sensibel oder 
überempfindlich zu sein
• Wunsch, die gute Laune 
nicht zu verderben
• Unklare Ansprechpartner
• oder schwer auffindbare Awareness-Teams
Deshalb gilt: Angebot schafft Nachfrage. Wer klare Awareness-Strukturen und Kommunika-
tionswege schafft, wird vielleicht überrascht sein, wie viele Menschen sich plötzlich melden. Die Vorfälle gab es auch vorher, die Meldungen zeigen nur, dass sich die Betroffenen jetzt sicher genug fühlen, um darüber zu sprechen.
Auch bei RAVES befinden sich das Organisationsteam und das Bar- und Technikpersonal in einer Machtposition gegenüber den Künstler_innen und Gäste_innen. Diese Dynamik kann zu Diskriminierung führen. Durch die Schaffung klarer Awareness-Strukturen und offener Kommunikationswege können diese Probleme besser angegangen und die Sicherheit für alle Beteiligten erhöht werden.
Mirca Lotz: Handbuch Awareness, 1. Aufl., München: Safe the Dance, 2023, S.29
Mit unserer Arbeit möchten wir keineswegs dazu ermutigen oder anregen, illegale Raves zu organisieren oder daran teilzunehmen. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für die Risiken und Gefahren zu schärfen, die mit unregulierten und unsicheren Veranstaltungen einhergehen. Durch unsere Informationen und Empfehlungen möchten wir dazu beitragen, dass Raves, die ohne formelle Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, sicherer für alle Beteiligten werden. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Verhinderung von Unfällen, zur Verbesserung der Notfallvorsorge und zur Schaffung einer sichereren Umgebung für Gäste und Besucher. Unsere Absicht ist es, das Risiko von Verletzungen und anderen negativen Folgen zu minimieren und eine verantwortungsbewusste und sichere Veranstaltungsplanung zu fördern.